hoffmann

in focus:

julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag

mit einer nachträglichen ergänzung freuen wir uns zu einer reihe von retrospektiven beizutragen, die den hundertsten geburtstag julije knifers im jahr 2024 markierten. 1985, vor 40 jahren, veröffentlichte die edition hoffmann zusammen mit knifer das fünfteilige mappenwerk "mäander". wir haben material aus dem galeriearchiv gehoben und hier reproduziert. ein brief, ein interview und grafitzeichnungen. sie kontextualisieren die konzeption des portfolios. der fokus liegt auf knifers zeichenprozess, dessen eingebettetheit in den lebensalltag, seinen materialistischen realitäten; dessen monotonie und rhythmischen wiederholungen. die logik eines prozesses, der einmal begonnen, über jahrzehnte eines lebens und einer künstlerischen praxis hinweg aus- und fortgeführt wurde.

hans-jürgen slusallek, adelheid hoffmann and julije knifer at edition & galerie hoffmann in 1994

hans-jürgen slusallek, adelheid hoffmann und julije knifer in der edition & galerie hoffmann 1994

foto: h. herbert

es war wichtig, der logik eines laufes zu folgen, der damals begonnen hat und der vor allem eine objektive logik darstellt, in der ich nie nach den formen aus der phantasie suchte, sondern nur die äußersten rhythmen des geschehens auf der fläche notierte

juljie knifer, 1985
letter by julije knifer to adlheid hoffmann with a statement on his working process in preparations for a forthcoming exhibition in april 1985 and the publication of the portfolio "mäander" (1985)

brief von julije knifer an adlheid hoffmann mit einer beschreibung seines arbeitsprozesses in vorbereitung auf eine bevorstehende ausstellung im april 1985 und die veröffentlichung des mappenwerks "mäander" (1985)

im jahre 59 begann ich mit folgendem:
ich ging immer von den einfachsten positionen aus.
ohne festschreibung und erklärung reihte ich tatsachen aneinander.
im grunde war das eine eskalation der eintönigkeit, der monotonie.
es war wichtig, der logik eines laufes zu folgen, der damals begonnen hat und der vor allem eine objektive logik darstellt, in der ich nie nach den formen aus der phantasie suchte, sondern nur die äußersten rhythmen des geschehens auf der fläche notierte.
aus diesen gründen arbeite ich nur mit der schwarzen und weißen farbe und verwende senk- und waagerechte linien.
zwischen schwarz und weiß und umgekehrt geschieht auf meinen flächen ein prozeß, der von schwarz und weiß ein visuelles ereignis oder ein organisiertes visuelles geschehen schafft. ich bemühe mich, daß sich das alles mit gebrauch der minimalsten mittel abwickelt.
die ursprüngliche idee – gebrauch der mittel der äußersten rhythmischen möglichkeiten.
die ursprüngliche idee – den äußerst einfachen rhythmus und die visuelle form zu schaffen mit hilfe der minimalsten mittel.
später hat sich alles als folge dieser ersten ursprünglichen ideen abgewickelt.
zeichnungen mache ich kontinuierlich und systematisch, so wie man schreibt oder nachdenkt.
ich reihte zeichnungen aneinander, um einige konkrete schlüsse daraus zu ziehen.
ich reihte elemente auf diesen zeichnungen aneinander, am zu einer konkreten logik zu kommen.
wenn ich auf einer fläche, und das kam später, nichts mehr zugeben oder abnehmen konnte, reihte ich flächen...

liebe heidi!
danke für die briefe und den anruf. ich glaube, alles wird in ordnung sein. anfang der zweiten aprilhälfte komme ich allein an. nada und ana können die gastfreundschaft leider nicht annehmen, aber wir alle kommen in laufe des sommers. ich freue mich auf das baldige wiedersehen und glaube, daß unser gemeinsames unternehmen einen sinn haben wird.
viele herzliche grüße, dein julije

25. lll. 1985

reproductions of the portfolio "mäander" (1985)

ansichten des mappenwerks "mäander" (1985)

julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag
cover sheet with a text by zvonko maković

vorblatt mit einem text von zvonko maković

fragen und antworten

wenn wirklich heute der 12. mai ist
ich werde nicht versuchen fragen zu stellen
aber ich werde die antworten geben nicht zu eigenen fragen
noch zu fragen der anderen.

antworten die keine antworten sein werden,
wohl aber darum werden sie die idealen antworten
auf die nicht gestellten fragen.

beziehungsweise,
es werden die idealen fragen auf die unmöglichen antworten
beziehungsweise,
es werden die fragen und die antworten doch sie werden
weder das eine noch das andere sein,
deshalb aber sind sie, da sie weder das eine sind
noch anderes sein könnten, gerade dies was sie nicht sind.

julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag
julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag
julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag
julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag
julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag

über jujie knifer
adelheid hoffmann und hans-jürgen slusallek im gespräch mit žarko radaković

das gespräch (hier in gekürzter form) fand am 7. juli 1990 in friedberg statt, und erschiene im gleichen jahr im magazin "flugasche" in einer ausgabe zu julije knifer' werk, die von žarko radaković herausgegeben wurde

žarko radaković

seit wann kennt ihr julije knifer?

adelheid hoffmann

seine arbeiten kennen wir seit den siebziger jahren. ich erinnere mich an einen kleinen siebdruck, blau mit goldenem mäander... wir haben gerade festgestellt, daß der erste brief, den er uns schreibt, vom 6.10.1981 ist. er fängt sehr schön an: “mit vergnügen habe ich die meldung von ihnen bekommen, die als resultat irgendwelcher telepathischer umstände gekommen ist. seit monaten habe ich nämlich die absicht gehabt, ihnen zu schreiben. ich möchte ihnen vor allem für ihre regeimäßigen auskünfte danken über ihre galerie und verlagstätigkeiten."

hans-jürgen slusallek

auf jeden fall war er bei der konstruktivisten-biennale in nürnberg dabei. ich weiß noch genau, daß sich kubicek und urbásek damals über knifer unterhalten haben.

ah

das muß ungefähr 1969 oder 1970 gewesen sein.

hs

sicherlich habe ich schon vorher 'mal etwas von ihm gesehen, vielleicht nur als einzelnes bild. aber was mir noch heute präsent ist, ist knifer damals in nürnberg. damals ist mir knifer als bildnerisches problem aufgefallen.

žr

was bedeutet: “knifer als bildnerisches problem”?

hs

allein, daß er mäander malt. es ist mir damals sofort klar geworden, daß das etwas besonderes ist. zwischen allem anderen wirkte es monoton, war es etwas irgendwie hölzernes, schwierig zu fassen. es war uns klar, daß knifer für uns sehr interessant ist.

žr

habt ihr regelmäßig mit ihm kontakt gehalten?

ah

ich denke, daß wir ihn jedesmal, wenn er in deutschland war, getroffen und mit ihm gesprochen haben. aber wir haben überhaupt keinen überblick über seine arbeiten. wir haben immer wieder ganz isoliert die eindrücke erlebt, die auf uns zukamen, wenn wir vor einem bild von knifer standen.

žr

war es unter diesen umständen nicht sehr schwierig, überhaupt zu einer einschätzung von knifers werk zu kommen?

hs

es war sehr schwierig. wir standen immer vor demselben problem. wenn ich vor knifers graphit-zeichnungen stehe und mir vorstelle, daß er einen monat daran arbeitet und im grunde genommen an etwas arbeitet, das sich von der nächsten zeichnung so gut wie gar nicht unterscheidet, (denn man muß schon sehr genau hinsehen, um festzustellen, daß eine unterscheidung darin liegt), dann stehe ich vor dem problem knifer. eine direkte entwicklung ist überhaupt nicht zu sehen. es ist immer wieder dasselbe und trotzdem mit einer kleinen differenz. und diese differenz ist eigentlich nicht auslotbar und auch nicht regelrecht erkennbar. für mich ist das problem knifer wirklich ein phänomen. es stellt sich zwar immer wieder unter neuen aspekten dar, aber es bleibt das gleiche phänomen.

žr

knifer sagt: “für mich ist die meßbare zeit überhaupt nicht wichtig. zeit als kontinuum existiert für mich nicht. mein erster mäander könnte genauso gut mein letzter sein – und umgekehrt." könnte das zu der schwierigkeit, einen überblick über das gesamtwerk knifers zu gewinnen, passen? könnte diese außerung knifers ein schlüssel zur interpretation seines werks sein?

hs

ich habe mir oft vorgestellt, wie ein arbeitsprozeß bei knifer abläuft. manchmal hat er etwa gesagt, daß das blatt, worauf er zeichne, das format des tisches habe. größer könne er es eigentlich auch gar nicht machen. wenn ich mir vorstelle, daß er dort tag für tag sitzt und mit dem bleistift diese oberfläche immer wieder zudeckt, dann ist das kein prozeß, der zielgerichtet wäre. es, gibt zwar ein ziel, irgendwann wird die schraffur dichter, irgendwann hört knifer auch auf, zu zeichnen. aber das ist nicht das ziel, das er direkt angeht, sondern die zeit, die da abläuft. die zeit, in der all die gedanken gefangen werden. ohne daß sie dadurch präzisiert würden, fließen sie mit ein. so ein mäander weckt ja sofort die assoziation an einen fluß. aber an einen fluß, der irgendwie fließt, der sich nicht zielgerichtet auf das meer hin bewegt, sondern so dahinströmt, wie er durch die umgebung gefangen ist. so fließen die gedanken in solch ein zeichnen ein. das zeichnen ist eigentlich eine verdichtung. es könnte auch ein text sein, aber es ist eben keiner. es ist eine verdichtung, die in eine immer totalere schwärze übergeht. mir kommt das wie eine bleierne undurchdringlichkeit vor. etwas metallisches, aber weiches metallisches – blei. darin ist etwas gebettet wie in einen sarg. wie sich früher könige in einen bleisarg haben legen lassen, damit sie nicht verwesen. aber eben auch nicht so konstruktiv und wiederum zielgerichtet, sondern es fließt da hinein, und darin ist es, und da drinnen ist es aber auch zeitlos. und dann ist es wirklich egal, wo es steht, ob am anfang oder am ende. dann ist es da nur festgehalten. und es ist vollkommen egal, wie die gedanken sind; sie sind einfach nur eingebettet. und man kann sie später auch nicht wieder differenziert herausholen. es bleibt einfach nur da drinnen. ich glaube, daß da alles – eine gesamte person – hineinfließt. die motorik ist genau so darin gefangen, wie etwa die gedanken. denn die motorik wird ja nicht zu einer geste, zu etwas unterschiedenem, sondern es ist ein aufpassen – man muß darauf achten, daß man gerade noch eine begrenzung einhält, nicht darüber hinausmalt – ansonsten kann man alles einfach dicht zumalen. es ist immer dasselbe, trotzdem ist es zielgerichtet – und ist aber auch nicht zielgerichtet. es ist im grunde genommen eine absolut widersprüchliche arbeit.

ich glaube, in den zeichnungen ist das wirklich knifer. die bilder sind ein kompromiß, damit er mit galerien zusammenarbeiten kann. damit er in den strukturen, in denen heute künstler existieren müssen, überhaupt existieren kann. [...] die graphit-zeichnungen dagegen sind in sein leben eingebettet. da kann er, während er hausmann ist und für seine frau nada das essen vorbereitet, zwischendurch weitermalen und vergessen und auch nicht vergessen. das fließt alles ein.

hans-jürgen slusallek, 1990

žarko radaković

knifer hat in einigen unterschiedlichen techniken gearbeitet: sehr viele kleinformatige skizzen mit bleistift oder kugelschreiber, zeichnungen mit sehr weichem graphit und bilder. dabei arbeitete er auch in sehr unterschiedlichen formaten. was paßt zu ihm, was gelingt ihm am besten?

adelheid hoffmann

ich möchte noch zu dem vorigen etwas sagen. die frage war, ob es schwierig sei, sich knifer anzunähern. es ist schwierig, wenn man eine normale logik voraussetzt, etwa wie ein anderer mensch bilder konstruieren würde, oder wenn man ein system verstehen will. wenn man mathematische zusammenhänge durchschauen will, wie zum beispiel bei lohse, wenn man einen schlüssel sucht, wenn man verstehen will, wie etwa zahlenreihen konstruiert sind. ich persönlich finde die annäherung an knifer nicht schwierig, weil ich ihn eigentlich immer so treffe, wie ich ihn das letzte mal verlassen habe. ähnlich ist es bei herman de vries. wenn ich mir den vorstelle, dann sitzt er in seiner wiese und beobachtet seine gräser. wenn ich nach fünf jahren hinkomme, dann wird der mensch etwas älter sein, und vielleicht ist die wiese verändert. er ist aber immer noch da. das ist von unserer zielgerichteten logischen tätigkeit abgelöst. das irritiert. das macht schwierigkeiten. man steht völlig verdutzt davor und überlegt: was hat er denn nun fünf jahre lang gemacht? wo ist denn nun die entwicklung? die schwierigkeit liegt dann fast in einem selber, weil man immer denkt: a + b = c, und heute kann nicht das sein, was gestern war: es muß ja eine logische entwicklung geben. bei knifer ist das eigentlich wie beim mäander oder wie beim herzschlag oder wie in der minimal-music. es ist einfach ein rhythmus, ein wiederholen. in der musik hat man das ohne weiteres anerkannt, in der malerei ist es wohl schwieriger. wenn man knifer-bilder anschaut, ist keines dem anderen gleich. und gerade diese unterschiede sind so schön. es sind überhaupt keine seriellen bilder im sinne der amerikanischen minimalart; etwa wie bei donald judd, wo man das gefühl hat, daß wirklich nahezu identische elemente zusammengebaut sind, vielleicht höchstens farblich unterschieden. auf den ersten blick denke ich immer: knifer-bilder sind gleich. dann schaue ich hin und stelle fest, wie schwer es fällt, die einzelnen elemente zu verfolgen und bei diesen gebauten bildern auszumachen, wo der “stop" ist. sie sind so schwierig, daß ich sie nie nachzeichnen könnte – obwohl ich zunächst immer überzeugt bin, daß ich es könnte. die bilder sind aus einzelblöcken und aus einem fießenden element zusammengesetzt. dazwischen gibt es einen bruch

žr

kann man ein einziges bild von knifer im zimmer haben, es mögen und jahrelang damit leben? sagen wir, gibt es etwas erotisches in einem einzelnen bild knifers?

hans-jürgen slusallek

davon bin ich fest überzeugt. ich möchte allerdings eine einschränkung machen: dies gilt nur für die graphit-zeichnun. gen. ich habe knifer bei der arbeit an skizzen beobachtet. er fängt an zu zeichnen, merkt, daß er mit dem platz nicht auskommt und nimmt ein neues stück papier. dabei erkennt er, daß er viel weiter links anfangen muß und malt die nächste skizze. ich glaube, daran merkt man: er hat kein bild im kopf, das er malen will. sondern der prozeß des skizzierens fängt irgendwo an und hört wieder auf. er versucht zwar, etwas auf dem blatt zu plazieren. und er schafft das nie. das ist der eindruck von den skizzen, von den paar, die wir haben – die sitzen so verkehrt auf dem papier, daß man immer denkt: gut, das papier ist eigentlich das unwichtigste. es hätte eine wand sein können. da fängt eigentlich schon ein widerspruch an: daß er auf ein papier malt, anstatt an der küste in den sand zu malen. da wäre es, glaube ich, richtig angebracht, weil da links und rechts die unendlichkeit ist. und dann ist es egal. da es aber auf dem papier ist, liegt es immer schief. ich glaube, die skizzen bedeuten für knifer gar nicht so sehr viel. es sind keine vorarbeiten für graphit-zeichnungen oder bilder, sondern sie sind genauso unbeholfen, irgendwo 'reingesetzt, wie sie auch aufhören. ich glaube, wenn er dasselbe als graphit-zeichnung oder als bild macht, steht er wieder genau vor demselben problem. durch die skizze wurde nichts gelöst... und wenn es überhaupt etwas erotisches gibt, irgendetwas, was einen ein leben lang fesseln könnte, dann ist das nur in den zeichnungen. ich glaube, in den zeichnungen ist das wirklich knifer. die bilder sind ein kompromiß, damit er mit galerien zusammenarbeiten kann. damit er in den strukturen, in denen heute künstler existieren müssen, überhaupt existieren kann. das ist wirklich etwas ihm abverlangtes. und ich glaube, deswegen hat er auch so große schwierigkeiten mit bildern. die graphit-zeichnungen dagegen sind in sein leben eingebettet. da kann er, während er hausmann ist und für seine frau nada das essen vorbereitet, zwischendurch weitermalen und vergessen und auch nicht vergessen. es fließt alles ein. hingegen muß er bei den großen bildern irgendwo hinfahren – die kann er eben nicht bei sich malen. vorbereitungen sind erforderlich, technik muß angewendet werden. alles muß richtig zielgerichtet ablaufen. ich glaube, hier fangen die schwierigkeiten an, die mit dem heutigen kulturprozeß zusammenhängen. als künstler muß man mit einer galerie zusammenarbeiten, die informiert werden muss, wenn eine ausstellung geplant ist; so und so viele arbeiten müssen fertig sein, man muß die irgendwie plazieren können. alles, was da an logistikfragen auftaucht, hängt damit zusammen. und deswegen müssen bilder her, die müssen produziert werden. aber das sind nun absolut keine knifer. ich finde sie zwar interessant, einfach als form, aber nur, indem ich mir immer wieder die graphit-zeichnung vorstelle. die graphit-zeichnung ist dann das leben für so ein bild. das bild selber, meine ich, hat kein direktes leben. genau das ist der punkt, an dem eventuell ware produziert wird. wohingegen die zeichnungen nie ware werden könnten. sie entstehen so langsam. sie sind so ohne entwicklung. es gibt nicht viele kunden, die dreißig jahre warten würden, um wie der einmal eine zeichnung zu bekommen. in der zwischenzeit würde alles in vergessenheit geraten. das heißt, damit könnte man nie eine galeriepolitik betreiben. die paar zeichnungen, die es gibt, wären im nu verkauft – und dann wäre das phänomen zuende. da, an dieser stelle, setzen auch die bilder ein. die bilder sind der markt. die graphit-zeichnungen sind knifers leben. die graphit-zeichnung ist der eigentliche knifer.

ah

ich mag die graphit-zeichnungen auch sehr, weil sie dichte und die lange zeit, die da einfließt, enthalten. aber ich glaube, daß jemand, der mit schwarz und weiß und geometrischen formen arbeitet und, sei es auch gequält, ein großformatiges bild malt, also eine form in körpergröße und in beziehung zum raum erfährt, sehr viel dabei erlebt. bei der ausstellung “passages" in der genfer “art prospective” im juni 1990, wo die bilder noch einmal vergrößert als wandmalerei existierten, gab es plötzlich den bezug zum raum. es ist dann kein kabinettstück oder notizbuch, sondern es ist wirklichkeit, die in einer architektur besteht. das ist einfach großartig, was da als wandmalerei entstanden ist. ich glaube, daß das bild – selbst wenn es knifer widerstrebt, vielleicht auch allein von der acrylfarbe oder von irgendwelchen produktionsformen her – ihm als prozeß sehr wichtig ist.

reproductions of the graphite drawings sketching out the concept for the five-part portfolio "mäander" (1985)

ansichten der grafitzeichnungen, die das konzept für das fünfteilige mappewerk "mäander" (1985) skizzieren

julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag
julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag
julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag
julije knifer – zeichnungen, mäander und der alltag

zarko radaković

ich habe knifer im märz 1990 in feldafing bei der arbeit beobachtet. knifer nannte seine derzeitige arbeitsphase “die zeit der rekapitulation”. es handelt sich um den versuch, “die alten skizzen auszuwerten, aufzuarbeiten und möglicherweise endlich in große bilder umzusetzen" – so knifer selbst in einem gespräch mit mir. die bilder, die in feldafing entstanden sind, basieren auf diesen teilweise dreißig jahre alten skizzen.

hans-jürgen slusallek

das finde ich unheimlich interessant. das würde genau meine these unterstützen. wenn er an die großen bilder herangeht, dann geht er wie ein kleinkind an die welt heran. er muß ins ausland fahren, er muß zu freunden gehen, die freunde reden ihm drein, schreiben ihm die größen vor. das ist, wie wenn man zu einem kleinkind sagt: jetzt mal' doch etwas! farbkasten und malstifte werden hingestellt, ein zeichenblock ist gekauft worden – damit nun endlich etwas zu papier gebracht wird. so einen eindruck hatte ich immer. und dann malt er bilder. aber es ist eine wirklichkeit, die irgendwie nicht seine eigene ist. es ist etwas, was sofort von seiner person getrennt ist und auch immer als etwas fremdes erfahren wird. als wir zum beispiel bei dacić waren, ist knifer ständig über seine bilder gestolpert – weil er damit nicht umgehen kann, weil sie zu groß und zu schwer sind. er schätzt sie zwar, aber als etwas, was ihm schon wieder fremd ist. daher kann ich mir sehr gut vorstellen, daß er auf altes zurückgreift. er sucht nur noch die skizzen aus und realisiert sie. aber es ist nicht wie bei den zeichnungen dieser prozeß des davorsitzens, dieses problem, anzufangen und an einem bestimmten punkt aufzuhören, weil das blatt eben nicht größer ist, und alles in einer rhythmischen motorik zu verdichten und festzuhalten. ich glaube, das ist etwas total anderes. er versucht nicht, ein neues problem auf die bilder zu übertragen, (eigentlich sind sie ja etwas größeres, etwas ganz anderes, was später auch eine andere wirkung haben wird), sondern er greift auf etwas zurückliegendes, festgelegtes, abgesetztes, sedimentiertes zurück, damit er überhaupt anfangen kann. und dann ergibt sich ein ganz mechanischer prozeß. das könnte wirklich ein assistent machen. diese gedanken, die ich da äußere, können total falsch sein. aber so ist es eben, wie ich persönlich versuche, mir das phänomen knifer immer wieder zu erklären und ihm näher zu kommen. ob es so ist, ist eine ganz andere frage.

adelheid hoffmann

der unterschied von den skizzen – wo die zeichnungen irgendwie drauf sitzen, unbeholfen, und das papier dann irgendwann aufhört oder in der mitte endet – zur graphit-zeichnung ist ja sehr groß. bei der graphit-zeichnung bezieht sich knifer auf ein papierformat, das heißt, das papierformat wird von der papierfabrik bestimmt. er läßt sich also auf eine realität ein, die ihm vorge geben ist. ganz anders als etwa nemours. sie beschneidet ihre zeichnungen; sie sind dann zum beispiel zweiundsiebzig millimeter groß. das heißt, sie setzt auf ein papier eine form und wenn sie fertig ist, schneidet sie das papier ab. jede zeichnung ist verschieden groß. julije dagegen fängt mit einem papier an, das er als realität akzeptiert. das ist nicht wie auf der skizze. bei der zeichnung muß er genau planen. er muß etwa sagen: das halbiere ich. das fünftle ich. das muß er dann auch ausmessen. es ist ein sehr bewußter prozeß, den er vorgeben muß, wenn er die anlage der zeichnung bestimmt. es ist genau derselbe prozeß, den er auch vollzieht, wenn er ein bild anfängt. er ist wahrscheinlich nur sehr erschrocken vor dieser großen, weißen leinwand. ich glaube, es zeigt auch seine sensibilität und daß er ein absolut denkender mensch ist, wenn er sich vor dieser weißen leinwand überlegt: das genügt ja, warum soll ich die jetzt auch noch bezeichnen, die ist ja wunderschön. diesen konflikt vor der weißen leinwand kennen sehr viele maler. sie können nicht beginnen – es muß ja das furchtbarste sein, eine weiße, perfekte fläche zu verletzen. man hat das gefühl, sie mit seinem ersten strich kaputtzumachen. die planung ist auf der zeichnung genauso rational wie auf dem bild. wenn er auf dem bild beispielsweise etwas drittelt, eine mittelachse oder eine proportion setzt, dann gewinnt er die planung vielleicht nicht bei malen, sondern er muß sie vorgeben. aber ich glaube schon, daß es das selbe sich-einlassen auf eine realität ist. man kann nicht sagen, daß das ein assistent machen könnte. ich denke, das ist eine sache, die auch in den zeichnungen angelegt ist. oder er müßte bei diesen skizzen, bei diesem ewigen mäander bleiben. aber schon in dem moment, wo er die planung seiner graphit-zeichnungen macht, ist das etwas rationales. es ist ja nicht einfach nur ein ewiges fortschreiben, wie man etwa einen schriftzug fortschreibt. ich finde, das ergebnis spricht auch dafür. die bilder sind dermaßen gut, sie sind vielleicht an den ecken verbeult, was stören kann. aber sie sind als phänomen, so wie sie einem gegenüberstehen, außergewöhnlich gut. auch die wandmalereien sind so, daß sie wirklich den raum beherrschen. es ist phantastisch, wie er größen und breiten berechnet. es ist gekonnt. es ist etwas äußerst schönes, das da entstanden ist.

werke

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