hoffmann

werkübersicht i

leon polk smith

1946-86/1987

original-serigraphie auf bütten

80 × 118 cm

edition hoffmann

auflage von 90

signiert, datiert und nummeriert

10-teiliges mappenwerk


herausgeber:in: edition hoffmann

text: lucius grisebach

druck: edition hoffmann

"ich modelliere raum", definiert leon polk smith das prinzip seiner kunst und faßt damit eine komplexe entwicklung von mehr als vierzig jahren zusammen.

1906 wurde er als kind einer farmersfamilie im indianerterritorium des amerikanischen westens, dem späteren staat oklahoma, geboren. seine mutter war zur hälfte indianischer abstammung, und seine kindheit war geprägt von der indianischen nachbarschaft, in der er heranwuchs. die voraussetzungen seiner abstammung verleiten zur legendenbildung. man ist versucht, den künstler in der rolle eines caspar hauser zu sehen, der als unschuldiges naturkind aus dem wilden westen in die zivilisation der großstädte stolperte. das ist natürlich falsch. der bildungsbegierige farmersohn leon polk smith, der ende der dreißiger jahre in die kunstszene new yorks eintauchte, war alles andere als ein caspar hauser. aber dennoch, wenn er bis heute mit ungewöhnlicher selbstgewißheit immer wieder neue bereiche eröffnet und dabei - allerdings ohne jegliche theorie und programmatik - einen höchst konsequenten weg verfolgt hat, so scheint sich darin doch etwas von jener ungeteiltheit und ganzheitlichkeit verewigt zu haben, die die indianische kultur unserer bleichgesichterzivilisation voraus hat.

leon polk smiths eintritt in die kunstgeschichte ereignete sich, als er ende der dreißiger jahre in new york die malerei piet mondrians kennenlernte. mondrians konstruktivismus wurde zum ausgangspunkt seiner künstlerischen entwicklung, die sehr bald über ihr vorbild hinaus zu einem sehr viel freieren und offeneren umgang mit fläche und raum führte. in zwei gemälden aus den jahren 1946 und 1947, denen er beide male den titel 'hommage to victory boogie-woogie' gab, erwies smith dem großen mondrian seine deutlichste reverenz. er bezog sich damit auf mondrians new yorker hauptwerk 'victory boogie-woogie' von 1943 - 44. von mondrian übernahm smith die vibrierende dichte der formen, aber anders als mondrian arbeitete er nicht mehr mit einer architektur aus streifen, die die fläche des bildes rechtwinklig durchziehen. die streifen reduzierten sich auf grenzlinien zwischen größeren und kleineren flächen, die aus sich heraus eine vibrierende komposition bilden.

mondrian lieferte die grundlagen, aber die auseinandersetzung mit mondrian in den vierziger jahren und zu beginn der fünfziger jahre bildete für leon polk smith nur das durchgangsstadium zur eigenen position. mehr und mehr verließ smith das lineare konstruktivistische konzept mondrians zugunsten des umgangs mit flächen, und je selbständiger und freier die fläche wurde, desto stärker öffnete sich der raum. der entscheidende schritt vollzog sich 1953 - 54: in einem katalog für sportartikel fielen smith abbildungen von bällen auf. es waren strichzeichnungen, bei denen die kugelform des balles durch den kurvigen verlauf der nähte innerhalb seines kreisrunden umrisses sichtbar gemacht war. die besondere verbindung von flächigkeit und körperlichkeit, die sich in solchen strichzeichnungen ergibt, übertrug smith in seine malerei. er begann mit rundbildern, die er durch geschwungene linien unterteilte. jede teilfläche wurde einheitlich ausgemalt. die trennungslinie erschien nicht als eigene form, sondern als grenze zwischen aneinanderstoßenden flächen. ihr verlauf war völlig frei. er war nicht an irgendwelche regeln körperhaft illusionistischer darstellung gebunden. aus dem freien zusammenspiel der runden umrißform, der farbflächen und ihrer geschwungenen trennungslinie ließen sich unendlich vielfältige neue konstellationen halb räumlichen, halb flächigen charakters erzeugen. der eingeschränkte bildraum der konstruktivistischen abstraktion war gesprengt, und neue möglichkeiten des zusammenwirkens von fläche und raum taten sich auf, und schon bald kam smith von der unterteilten bildfläche zur 'shaped canvas', bei der sich aus teilflächen ein jeweils neuer und eigenständiger, nicht mehr runder oder rechteckiger umriß ergab. damit war mondrian endgültig geschichte geworden.

grundproblem blieb bis heute das spannungsverhältnis zwischen fläche und raum und das kräfteverhältnis zwischen den farben. bestimmend war der freie, nicht von starren konzepten eingeengte umgang mit diesen elementen, eben das, was leon polk smith selbst als modellierung des raumes bezeichnet.

ende der fünfziger jahre begann die reihe der 'correspondence'-bilder, sie sind durch frei verlaufende trennungslinien unterteilt. die farben der teilflachen müssen im ton, in der leuchtkraft und ausdehnung jeweils so gewählt sein, daß sie mit ihrer nachbarfarbe eine korrespondenz aufnehmen, die sowohl gegenseitige ausgewogenheit als auch gegenseitige aktivierung in sich schließt. die energie dieser korrespondenz konzentriert sich vor allem an den grenzlinien zwischen den farbflächen, und sie impliziert, daß die traditionelle relation von figur und grund keine bedeutung mehr hat.

seit 1967 entstanden neben den 'correspondences' die sogenannten 'constellations'. hatten sich bei den 'correspondences' die wechselbeziehungen innerhalb des klar eingegrenzten bildfeldes abgespielt, so griffen die formen jetzt weit über die einzelnen bildtafeln hinaus und erstreckten sich über mehrere leinwände. die 'constellations' sind eine erweiterung des konzepts der 'shaped canvas' sie sehen aus wie überlagerungen zweier getrennter strukturen: einerseits die bildtafeln in ihrer eigenen konfiguration, andererseits die darüber hinaus gemalten flächen mit geschwungenen umrissen und großer ausdehnung. sichtbar sind sie nur da, wo sich beide strukturen überdecken. bestand die offenheit der farbräumlichen gestaltung bei den 'correspondences' darin, daß der maler im inneren seines bildfeldes alle freiheiten hatte, so erweiterte sie sich in den 'constellations' nun auch über den rand der einzelnen bildfelder hinaus in den freiraum drum herum.

die 'correspondences' und 'constellations' haben den bereich flächenräumlicher bildgestaltung abgesteckt, in dem sich leon polk smith bis heute bewegt. immer neue möglichkeiten haben sich aufgetan, und man ist auch jetzt vor überraschungen nicht sicher. leon polk smith, der weise alte maler, betreibt seine kunst mit immer junger phantasie und hoher schöpferischer kraft, und sein konzept öffnet und erweitert sich immer mehr.

leon polk smiths kunst entsteht nie nach programmen oder formeln, und sie ist nicht auf vorbestimmte, abgegrenzte wege festgelegt. sie ist viel mehr getragen von einer idee der ganzheitlichkeit und offenheit. wahrscheinlich treffen wir hier auf einen wesenszug, der in smiths indianischer abstammung begründet liegt. ein wesentliches element indianischer philosophie ist die einheit von empfindung und verstand, von intuition und rationalität. die erziehung des weißen mannes hingegen hat sich darauf konzentriert, die menschlichen fähigkeiten als gegensätze aufzufassen, sie zu trennen und jeweils einzeln zu entwickeln. leon polk smith vor dem hintergrund seiner indianischen prägung bestreitet diesen gegensatz. für ihn gilt als höchstes ziel der bildung eine ganzheit, in der alle fähigkeiten des menschen vereint sind, die intellektuellen ebenso wie die intuitiven, und aus dieser untrennbaren ganzheit heraus schafft er seine kunst.

werke

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