hoffmann

10 serigrafien aus 3 aspekten

heijo hangen

1968/1985

silk screen on paper

80 × 60 cm

edition hoffmann

auflage von 100

signiert, datiert und nummeriert

10-teiliges mappenwerk


herausgeber:in: edition hoffmann

text: hans-peter riese

gestaltung: edition hoffmann

druck: edition hoffmann

5000 € inkl. MwSt.

zur konzeption der "ordnungsfolgen"

das druckgrafische werk von heijo hangen ist in bildserien organisiert, die unter der einheitlichen bezeichnung „ordnungsfoigen" fortlaufend numeriert sind. auf den ersten blick erkennt man die für hangen typischen formelemente der aus der quadratteilung entwickelten module. es fällt aber auch auf, daß hangen die grafik nicht dazu benutzt, sich einen freiraum der assoziationsmöglichkeiten zu schaffen, also gleichsam die systematische logik seiner bildentwicklungen zu lockern, etwa um neue wege zu erproben. dennoch weisen die blätter der „ordnungsfolgen" einen wesentlichen unterschied zur malerei auf. er liegt vor allem in der ökonomie der organisation der module im bild. sie wird von einer technischen besonderheit des siebdrucks bestimmt, der möglichkeit des lasierenden überdrucks von zwei farben, während in der malerei stets die deckende farbe die form ausfüllt und eine darunter liegende form lediglich in der logik des bildaufbaus gedacht werden kann, besteht in der siebdrucktechnik die möglichkeit, beide formen sichtbar werden zu lassen. das ergebnis besteht darin, daß die silhouette der einzelnen modulformen jeweils als ganzes sichtbar bleibt, die logik ihrer verwendung im bildaufbau also einsehbarer gehalten werden kann als in der malerei.

hangen hat diese besonderheit der technik vor allem dazu benutzt, um in systematisch aufgebauten entwicklungsschritten die kombinationsvarianten seines grundmoduls in serien durchzuspielen. so lassen sich in den ordnungsfolgen auch jene zwischenschritte in der entwicklung einer bildform realisieren, die in der malerei nur immanent vorhanden sind, sich aber optisch dem fertigen bild nicht mehr ohne weiteres ablesen lassen. die gesamtheit der „ordnungsfolgen“ stellt deshalb ein selbst für die konstruktiv-systematische kunst einzigartiges bildprogramm dar, das zwar aufgrund seiner technischen andersartigkeit von der malerei unterschieden ist, für diese aber gleichzeig ein formales wie farbliches reservoir darstellt.

die grundlage der bildorganisation bei hangen ist der aus der quadratteilung gewonnene modul, er kann sowohl als linearer, wie als flächiger modul verwendet werden. gewonnen ist er aus der aufrasterung des quadrates in sechzehn teilungsquadrate. hebt man nun die vier zentral liegenden teilquadrate durch eine umrandung heraus, so ergibt sich erneut ein zentrales quadrat mit einem quadratring, mit einem flächenwert von 4:12 teilquadraten.

die entscheidende aktion zur gewinnung des moduls besteht nun in der teilung der quadratform und der quadratringform durch eine in drei richtungen sich ändernde diagonale mit der streckenteilung 1/4 + 2/4 + 1/4. als optisches ergebnis erhält hangen nun ein modul aus zwei dreiecken, praktisch der teilung des zentralen quadrates, somit zwei quadrat-schenkel infolge der teilung des quadratringes.

bei einer aufrasterung des quadrates in 16 gleiche dreiecke und der selben teilung durch die in drei richtungen sich ändernde diagonale entstehen - etwas verkürzt dargestellt - zwei inhaltsgleiche konvex-konkave figuren, die als flächenmodul im bildplan verwendung finden. diese module können nun in vielfacher art und weise miteinander kombiniert werden. dabei steht es hangen frei, die kombinationsmöglichkeiten innerhalb der logik des bildaufbaus frei zu wählen. d. h. kombinationsmöglichkeiten können sich ergeben aus der drehung der module, aus der verschiebung auf einer oder mehrerer achsen, aus dem anlegen der einzeinen module aneinander usw.

der optische bildeindruck ergibt sich aus der kombinationsart, die der künstler jeweils wählt. generell können also architektonisch-statische formkonstellationen entstehen, aber auch dynamische, es können offene, über die bildfigur hinausweisende, also erweiterbare bildpläne entworfen werden, sowie in sich geschlossene; ihnen allen jedoch ist gemeinsam, daß sie in ihrer bildlogik eindeutig sind, gleichsam in ihrem aufbau wieder auflösbar, auf die grundform des moduls zurückführbar. wenn man die bei hangen stets äußerst verknappten entwicklungsdaten seiner methodischen entwicklung mit den künstlerischen ergebnissen vergleicht, so fällt auf, daß es ende der fünfziger, anfang der sechziger jahre eine phase gegeben hat, in der der maler versucht hat, die statische architektur seiner bilder durch die einführung der kreisfläche aufzulockern oder zu durchbrechen. in dieser mappe ist aus dieser phase kein beispiel aufgenommen worden. wohl nicht nur deshalb weil diese versuche vor der begründung der serie der „ordungsfolgen“ gelegen haben, sondern vor allem deshalb, weil dieser weg sich hinsichtlich der gewünschten bildergebnisse und der erweiterung der formalen logik als wesentlich enger erwies, als ursprünglich angenommen. stattdessen erkannte hangen mit zunehmender differenzierung seiner methode, daß es nicht allein darauf ankommen kann, gleichsam die „richtigkeit“ des bildaufbaus zum maßstab der rezeption zu machen, sondern daß eine art der kommunikation zwischen den arbeiten und dem betrachter hergestellt werden muß, die auch unabhängig von der einsehbarkleit der bildlogik möglich ist.

künstlerisch bedeutet diese einsicht einen zuwachs an souveränität in der verfügung über die bildmittel, ohne allerdings die methode selber dabei zu verlassen. erst diese souveränität läßt dann in der rezeption auch erkennen, daß hangen seinen systematischen serien die lösung genereller künstlerischer probleme gleichsam abgewinnt. so lassen gerade seine „ordnungsfolgen“ deutlich erkennen, daß er sich zunehmend mit dem problem der räumlichkeit beschäftigt hat. die spezifische räumlichkeit dieser arbeiten entsteht auf doppelte weise: einmal durch die systematische verwendung der elemente, ihrer anordnung auf der fläche, zum anderen durch die verwendung der farbe. auf dem blatt „ordnungsfolge 109“ beispielsweise erscheinen die gleichen module durch eine verschiebung auf der vertikalachse als räumlich gestaffelt, der eindruck wird noch durch die abstufung von schwarz zu grau verstärkt.

ein ganz anderes problem der malerei taucht bei hangen ganz überraschend auf; das problem einer gewissen gestik. natürlich ist der begriff hier nicht verwendet im sinne etwa des informel, also der übertragung einer bewegung in das bild, sondern eher als eines sichtbaren ablaufes, einer ablesbaren veränderung innerhalb eines feststehenden formkanons. hangen erreicht dies beispielsweise durch die veränderung einer farbe in einem gleichbleibenden formalen ablauf, respektive einer form. man könnte hier bezogen auf die serie auch von einer spezifischen rhythmik sprechen, jedenfalls von einem dynamischen element, das aus der systematischen veränderung heraus gewonnen wird. hangen hat mit solchen systematischen veränderungen vor allem hinsichtlich der verwendung der farbe experimentiert. dabei wurde in der serie deutlich, daß eine systematische veränderung der farbigkeit eine bewegung der form hervorruft. verfolgt man die ordnungsfolgen von anfang an, so ergibt sich eine zunehmende auflockerung, oder anders ausgedrückt, eine sich aus der differenzierung entwickelnde dynamik, dabei werden die einzelnen blätter allerdings keineswegs in sich „bewegter“, vielmehr spürt man die zunahme an kombinationsmoglichkeiten, die freiere verfügung darüber und damit die erweiterung der kreativität. hangen stellt sich damit entschiedener dem vorurteil, gerade die verwendung nur eines moduls, seiner allein systematisch-logischer verwendung im bildplan, enge die kreativität des künstlers ein, mindere damit auch die ästhetische qualität dieser kunst.

natürlich reicht es nicht aus, diesem vorurteil gleichsam statistisch die unendliche zahl der kombinationsmöglichkeiten innerhalb der methode entgegenzuhalten. im extrem liefe diese argumentation ja tatsächlich darauf hinaus, kreatvitat quantitativ meßbar zu machen, wie dies in den sechziger jahren die sogenannte „exakte ästhetik" versucht hat. hangen hat sich gerade in dem unternehmen seiner „ordnungsfolgen“ wie kaum ein anderer zeitgenössischer künstler diesem problem gestellt. systematisch ist seine arbeitsweise dabei auch insofern, als er einen begriff der kreativität für sich aus der methodischen entwicklung gewonnen hat. es zeigt sich vor allem in den blättern der letzten jahre (die letzten drei nummern dieser mappe), daß die methodisch entwickelten formen zu einem formrepertoir geworden sind. zur bildgestaltung gehört zwar nach wie vor die logik der methode, sie wird aber in der bildform nicht mehr als solche manifest.

aus der perspektive der rezeption heißt dies, daß der logische nachvollzug beim „lesen" des bildes keine unabdingbare bedingung mehr ist. hangen steht mit dieser entwicklung in der konstruktiv-systematischen kunst nicht allein. der allgemeine entwicklungstrend vor allem jüngerer künstler scheint allerdings dahin zu gehen, kreatvität dadurch zurückzugewinnen, daß mehr und mehr die methodischen grundlagen dieser kunst aufgegeben werden.

heijo hangen ist einen anderen weg gegangen, ein schlüsselsatz zum verständnis seiner jüngsten arbeiten lautet: „die wahrheit wird in einer anderen hülle nicht zur lüge" bezogen auf seine kunst könnte man dies so interpretieren, daß die künstlerische qualität seiner bilder sich nicht in immanenten manifestationen des methodischen erschöpft, sondern erst in deren aufhebung im ergebnis sich voll entfaltet. der methodische rahmen ist so flexibel geworden, daß die elemente untereinander austauschbar werden. konkret läßt sich das an den ausschnitten aus den „ordnungsfolgen" nachvollziehen. die niedrigen nummern lassen jeweils noch den rahmen erkennen, aus dem heraus der modul entwickelt worden ist, und in dessen grenzen er sich bewegt. die gesamtform der blätter ist stets auf ihre teile bezogen, die silhouette weist gleichsam auf den aufbau zurück. die begriffe, die in dieser ersten phase verwendung finden, weisen auf die relativen grenzen des ästhetischen ergebnisses hin: drehung, verschiebung, teilung - allesamt „technische" begriffe, die eine einschränkung in der kreativen verfügbarkeit andeuten. das ergebnis sind denn auch „geschlossene formen", die ihre entstehung einer begrenzten anzahl von formalen schritten verdanken. kennzeichnend für diese blätter ist ihre zumeist statische formale organisation, die jeweils erkennbar abgeleitet ist aus der systemlogik.

es ist auch nicht uninteressant, daß bei diesen blättern, sie reichen etwa bis zur ordnungsfolge 60 ff., formale konstellationen entstehen, die in sich äußerst kompliziert sind. hier liegt die vermutung nahe, daß der künstler das moment der im bild manifesten systemlogik dadurch relativieren will, daß er die komplexität des bildaufbaus erhöht. es erscheinen auf diesen blättern auch vielfach mehrere der verwendeten module in überlagerungen und systematscher kombination, dieser beobachtung widerspricht nicht, daß hangen von 1969 an nur noch einen einzigen, konstanten formmodul verwendet, vielmehr wird der versuch unternommen, ästhetische komplexität allein aus formal-methodischer komplexität heraus zu gewinnen.

hangen setzt in diesen arbeiten auch noch nicht die volumina der statisch-flächigen formen ein, sondern beschränkt sich praktisch auf modulsilhouetten.

in den späteren ordnungsfolgen (in der mappe die gruppe der letzten vier blätter) wird das flächenmodul praktisch singulär verwendet, aus dem methodischen zusammenhang seiner formalen gewinnung gänzlich gelöst, dem künstler gleichsam zur freien verfügung auf der fläche gegeben. aber während noch in der gruppe der blätter vier, fünf und sechs, die silhouette der gesamtform eine wesentliche rolle gespielt hat, wird jetzt die kombination des moduls praktisch „dynamisiert". nimmt man das letzte blatt der mappe als ein beispiel für diese entwicklung, so wird auffallen, daß es sich hier um eine art anbausystem handelt, das in sich den trend zur erweiterung trägt. es wirkt offen, über die bildform hinausweisend und weckt damit kombinationsassoziationen, wenn man so will: phantasie!

hangen gewinnt in diesen blättern auch die dimension der tiefe, natürlich nicht im sinne einer perspektive, sondern eines bildraumes, der allein aus den evozierten volumina der fläche resultiert. obwohl auf diesen blättern rein formal gesehen weniger komplizierte schritte zur endgültigen form geführt haben, wirken sie differenzierter, man kann auch sagen - freier. dies liegt zweifellos daran, daß sie mehrschichtiger angelegt sind als die früheren „ordnungsfolgen" und zwar nicht im sinne der komplexität des programms, sondern allein hinsichtlich der ästhetisch-optischen rezeptionsmöglichkeiten.

das übereinanderschieben der modulflächen bedeutet in diesen blättern auch eine verdichtung der ästhetischen struktur. es wirkt, als habe hangen nicht nur die flächen überlagert, sondern gleichzeitig auch systeme übereinandergelegt. das gegenteil ist indessen der fall, im grunde verdanken diese arbeiten ihre mehrschichtigkeit einer vereinfachung der systematik. es ist dies eine dialektische methode, die hangen anwendet, wobei er, etwas verkürzt ausgedrückt, durch die stärkere betonung der ästhetischen methode die formale systematik optisch zurücknimmt.

durch die überlagerung der flächen entsteht in diesen blättern auch manchmal der eindruck, den man aus der malerei bei hangen kennt, nämlich das nebeneinander von flächen und linien. man mag dies als eine art annäherung von grafik und malerei ansehen, wobei aber die eigenständigkeit der grafik nicht aufgegeben wird. es scheint aber vor allem zu beweisen, daß im rahmen der „ordnungsfolgen" jene phase zuende geht, in der gleichsam das formale repertoire erprobt wurde und ein stadium erreicht wird, in dem die freie verfügung über die modulformen auf der fläche zu einer ästhetischen integration der beiden bereiche führen könnte. dies wird auch von dem eindruck der optischen verdichtung in den grafischen blättern unterstützt, die ansonsten nur in den bildern erreicht worden ist.

in der betrachtung der einzelbeispiele der ordnungsfolgen läßt sich die systematische entwicklung bis auf jeden schritt genau zurückverfolgen, dies ist vor allem für die aufschlüsselung des werkes von hangen von großer wichtigkeit in der auswahl jedoch kommt etwas anderes besonders deutlich zum ausdruck: das bemühen um die ganzheit des künstlerischen wollens. es geht hangen nie um die simple demonstration eines formalen systems, vielmehr ist dies stets nur die voraussetzung zur entfaltung seiner ästhetischen aussage, sie wiederum soll sich in der ästhetischen form objektivieren. diesen prozeß nachvollziehbar zu machen, unternimmt hangen vor allem in der serie seiner „ordnungsfolgen", aus der in dieser mappe zehn blätter versammelt sind. sie stellen einen ausschnitt dar, der gleichwohl das ganze enthält.

hans-peter riese, 1985

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